Das Wichtigste im Überblick
- Rechtswahl entscheidet: Deutsche die in Spanien leben können zwischen deutschem und spanischem Erbrecht wählen - die Wahl muss ausdrücklich im Testament erfolgen
- Pflichtteilsrecht variiert: Die spanische „legítima" unterscheidet sich erheblich vom deutschen Pflichtteilsrecht und variiert je nach Region
- Steuerliche Besonderheiten: Spanische Erbschaftsteuer wird regional erhoben - erhebliche Unterschiede zwischen den autonomen Gemeinschaften
Das spanische Erbrecht gewinnt für Deutsche zunehmend an Bedeutung. Ob durch Immobilienbesitz an der Costa del Sol, Auswanderung nach Mallorca oder familiäre Verbindungen – immer mehr Deutsche sehen sich mit den Besonderheiten des spanischen Erbrechts konfrontiert. Dieser Leitfaden erklärt die wichtigsten Regelungen und Unterschiede zum deutschen System, damit Sie fundierte Entscheidungen für Ihre Nachlassplanung treffen können.
Rechtliche Grundlagen des spanischen Erbrechts
Das spanische Erbrecht basiert auf dem Código Civil (Zivilgesetzbuch) und wird durch regionale Sonderregelungen in den autonomen Gemeinschaften ergänzt. Anders als das deutsche Erbrecht kennt Spanien ein komplexes System aus nationalem und regionalem Recht, das je nach Wohnsitz und Staatsangehörigkeit des Erblassers zur Anwendung kommt.
Seit dem 17. August 2015 gilt die europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO), die grundlegende Änderungen für grenzüberschreitende Erbfälle brachte. Nach dieser Verordnung bestimmt sich das anwendbare Erbrecht nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien haben, unterliegen daher grundsätzlich spanischem Erbrecht – es sei denn, sie treffen eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts.
Die Rechtswahl muss in einem Testament oder Erbvertrag ausdrücklich erklärt werden. Eine stillschweigende Rechtswahl durch die bloße Verwendung deutscher Rechtsformen reicht nicht aus. Wer als Deutscher in Spanien lebt und weiterhin deutsches Erbrecht anwenden möchte, sollte dies explizit in seinem Testament vermerken.
Besonderheiten der spanischen Erbfolge
Gesetzliche Erbfolge ohne Testament
Ohne Testament greift die spanische gesetzliche Erbfolge, die sich erheblich vom deutschen System unterscheidet. In Spanien erben zunächst die Abkömmlinge (Kinder, Enkel), daneben erhält der überlebende Ehegatte einen Nießbrauch (usufructo) an einem Drittel des Nachlasses. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erben die Aufsteigenden (Eltern) neben dem Ehegatten, der in diesem Fall einen Nießbrauch an der Hälfte des Nachlasses erhält.
Die spanische Erbfolge ist strikter geregelt als die deutsche und lässt dem Erblasser weniger Gestaltungsspielraum. Dies zeigt sich besonders beim Pflichtteilsrecht, das in Spanien als „legítima“ bezeichnet wird und wesentlich umfassender ist als das deutsche Pflichtteilsrecht.
Das spanische Pflichtteilsrecht („legítima“)
Das spanische Pflichtteilsrecht stellt eine der größten Hürden für Deutsche dar, die ihr Vermögen in Spanien frei vererben möchten. Die „legítima“ teilt den Nachlass in drei gleiche Teile: den Pflichtteil für die Abkömmlinge (legítima estricta), den verbesserten Pflichtteil (mejora) und den frei verfügbaren Teil (tercio de libre disposición).
Von seinem Vermögen kann der Erblasser nur über ein Drittel frei verfügen. Zwei Drittel sind den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen vorbehalten, wobei eines dieser Drittel zur Besserstellung einzelner Kinder verwendet werden kann. Diese Regelung ist wesentlich restriktiver als das deutsche Pflichtteilsrecht, das lediglich einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Erbteils vorsieht.
Regional gibt es erhebliche Unterschiede: In Katalonien beträgt die „legítima“ nur ein Viertel des Nachlasses, in Navarra existiert sie praktisch nicht. Deutsche mit Vermögen in verschiedenen spanischen Regionen sollten diese Unterschiede bei ihrer Nachlassplanung berücksichtigen.
Immobilienerbschaft in Spanien
Deutsche Erben, die Immobilien in Spanien erben, stehen vor besonderen Herausforderungen. Die Eigentumsübertragung erfordert eine notarielle Beurkundung vor einem spanischen Notar und die Eintragung im spanischen Grundbuch (Registro de la Propiedad). Hierfür müssen verschiedene Dokumente vorgelegt werden, darunter die Sterbeurkunde, das Testament und gegebenenfalls ein Erbschein oder europäisches Nachlasszeugnis.
Die Übertragung einer geerbten Immobilie löst verschiedene Steuern aus. Neben der Erbschaftsteuer fällt die Wertzuwachssteuer der Gemeinde an, die je nach Region bis zu 30% des Bodenrichtwertes beträgt. Zusätzlich entstehen Notarkosten, Grundbuchgebühren und eventuell Kosten für Übersetzungen und Beglaubigungen.
Bei der Wertzuwachssteuer (Plusvalía municipal) ist zu beachten, dass sie auf den Wertzuwachs des Grund- und Bodens seit dem Erwerb durch den Erblasser erhoben wird. Diese Steuer darf aber nicht erhoben werden, wenn die Immobilie tatsächlich an Wert verloren hat.
Spanische Erbschaftsteuer im Detail
Die spanische Erbschaftsteuer (Impuesto sobre Sucesiones y Donaciones) wird nicht national, sondern von den autonomen Gemeinschaften erhoben. Dies führt zu erheblichen regionalen Unterschieden bei Steuersätzen und Freibeträgen. Während beispielsweise in Madrid und Valencia weitgehende Befreiungen für Familienangehörige gelten, können in anderen Regionen hohe Steuersätze anfallen.
Für Deutsche als Nicht-Residenten galten lange Zeit ungünstigere Regelungen als für Residenten. Nach dem EuGH-Urteil vom 3. September 2014 (Rs. C-127/12, Kommission/Spanien) wurden diese Diskriminierungen weitgehend abgebaut, doch bestehen weiterhin Unterschiede. Deutsche Erben sollten prüfen, ob sie die günstigeren Residentenregelungen in Anspruch nehmen können, auch wenn sie nicht in Spanien wohnen.
Die Erbschaftsteuer muss grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall angemeldet und entrichtet werden. Eine Verlängerung um weitere sechs Monate ist gegen Zahlung von Zinsen möglich. Bei Immobilien kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung beantragt werden.
Testamentsformen und Vollstreckung
Das spanische Recht kennt verschiedene Testamentsformen, von denen für Deutsche vor allem das offene Testament vor einem spanischen Notar (testamento abierto notarial) relevant ist. Dieses Testament wird in einem Notariatsregister erfasst und kann über das zentrale Testamentsregister in Madrid abgerufen werden.
Deutsche Testamente werden in Spanien grundsätzlich anerkannt, müssen aber übersetzt und durch eine Apostille beglaubigt werden. Bei komplexeren Regelungen kann es sinnvoll sein, zusätzlich ein spanisches Testament zu errichten, das sich auf das spanische Vermögen beschränkt. Dies vermeidet Übersetzungsprobleme und beschleunigt die Nachlassabwicklung.
Die Testamentsvollstreckung erfolgt in Spanien seltener als in Deutschland. Der Testamentsvollstrecker (albacea) hat nicht so weitreichende Befugnisse wie in Deutschland und er kann aber den Nachlass eigenständig abwickeln. Dies ist besonders vorteilreich, wenn die Erben im Ausland leben und nicht persönlich in Spanien tätig werden können.
Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen
Deutsche, die regelmäßig Zeit in Spanien verbringen oder dort leben, sollten auch spanische Vorsorgedokumente erstellen. Eine deutsche Vorsorgevollmacht wird zwar grundsätzlich anerkannt, kann aber in der Praxis zu Verzögerungen und Problemen führen, wenn sie nicht den spanischen Formvorschriften entspricht.
Spanische Vorsorgevollmachten müssen notariell beurkundet werden und werden in einem zentralen Register erfasst. Sie sollten spezifische Regelungen für Gesundheitsfürsorge, Vermögensverwaltung und Aufenthaltsbestimmung enthalten. Eine Patientenverfügung (instrucciones previas) sollte ebenfalls den spanischen Rechtsvorgaben entsprechen und bei der regionalen Gesundheitsbehörde registriert werden.
Praktische Tipps für Deutsche Erblasser
Deutsche mit Vermögen in Spanien sollten ihre Nachlassplanung frühzeitig und umfassend angehen. Eine wichtige Entscheidung ist die Wahl des anwendbaren Erbrechts. Während deutsches Erbrecht mehr Gestaltungsfreiheit bietet, kann spanisches Erbrecht bei der praktischen Abwicklung vor Ort Vorteile haben.
Bei der Erstellung von Testamenten sollten kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden. Spanische Notare sind es nicht gewohnt, komplexe Gestaltungen wie Vor- und Nacherbschaft oder Testamentsvollstreckung zu beurkunden. Einfache, klare Regelungen sind oft praktikabler als rechtlich ausgereizte Konstruktionen.
Die Koordination zwischen deutschen und spanischen Beratern ist entscheidend für den Erfolg der Nachlassplanung. Steuerliche Optimierungen, die in einem Land vorteilhaft sind, können im anderen zu Nachteilen führen. Eine ganzheitliche Betrachtung beider Rechtssysteme ist unerlässlich.
Häufige Fallkonstellationen und Lösungsansätze
Deutscher mit Ferienhaus in Spanien: Früher wurde empfohlen ein separates spanisches Testament für die Immobilie, um die Abwicklung zu vereinfachen, das hat sich mit der Einführung der europäischen Erbrechtsverordnung jedoch geändert, da es die Nachlassabwicklung erheblich verkompliziert. Die Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts kann sinnvoll sein, wenn Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind.
Deutscher Resident in Spanien: Eine umfassende Nachlassplanung sollte sowohl deutsches als auch spanisches Vermögen berücksichtigen. Die Wahl des Erbstatuts hängt von der Familiensituation und den steuerlichen Gegebenheiten ab.
Deutsch-spanische Ehe: Hier sind die güterrechtlichen Besonderheiten zu beachten. Das spanische Recht kennt verschiedene Güterstände, die sich auf die Erbfolge auswirken können.
Unternehmensnachfolge: Deutsche Unternehmer mit Geschäftstätigkeit in Spanien stehen vor besonderen Herausforderungen. Die Übertragung von Unternehmensanteilen unterliegt sowohl erb- als auch steuerrechtlichen Besonderheiten.
Steueroptimierung bei spanischen Erbfällen
Die steuerliche Gestaltung ist bei spanischen Erbfällen von besonderer Bedeutung. Neben der regionalen Erbschaftsteuer sind auch die deutsche Erbschaftsteuer und mögliche Doppelbesteuerungseffekte zu berücksichtigen. Deutschland und Spanien haben kein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftsteuer, wodurch es zu einer doppelten Belastung kommen kann.
Gestaltungsmöglichkeiten bestehen durch die Wahl des Wohnsitzes, die zeitliche Koordination von Schenkungen und Erbfällen sowie die Nutzung regionaler Besonderheiten. Schenkungen zu Lebzeiten können unter bestimmten Umständen steuerlich günstiger sein als eine Vererbung, insbesondere wenn die Beschenkten ihren Wohnsitz in einer erbschaftsteuerfreundlichen Region haben.
Checkliste für Deutsche mit spanischen Erbschaftsfragen
- Rechtswahl prüfen: Entscheidung zwischen deutschem und spanischem Erbrecht treffen und im Testament dokumentieren
- Testament anpassen: Deutsche Testamente auf Spanien-Tauglichkeit prüfen oder separates spanisches Testament erstellen
- Steuerliche Situation analysieren: Regionale Unterschiede bei der Erbschaftsteuer berücksichtigen
- Dokumente vorbereiten: Alle erforderlichen Unterlagen übersetzen und apostillieren lassen
- Vollmachten erstellen: Spanische Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen errichten
- Immobilien erfassen: Genaue Dokumentation aller spanischen Vermögenswerte
- Ansprechpartner benennen: Vertrauensperson oder Anwalt für die Nachlassabwicklung in Spanien bestimmen
- Familie informieren: Alle Beteiligten über die getroffenen Regelungen aufklären
- Regelmäßige Überprüfung: Testamente und Vollmachten bei Änderungen der Rechtslage oder Familiensituation anpassen
- Professionelle Beratung: Spezialisierte Rechtsberatung für komplexe Fälle in Anspruch nehmen
Für komplexe Sachverhalte oder bei größeren Vermögenswerten ist eine spezialisierte rechtliche Beratung unerlässlich. Die Besonderheiten des spanischen Erbrechts erfordern fundierte Kenntnisse beider Rechtssysteme, um optimale Lösungen zu entwickeln.
Handlungsempfehlung
Das spanische Erbrecht stellt Deutsche vor besondere Herausforderungen, bietet aber auch Gestaltungsmöglichkeiten für eine optimale Nachlassplanung. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind eine frühzeitige Planung, die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und eine koordinierte Betrachtung beider Rechtssysteme.
Wer rechtzeitig plant und sich kompetent beraten lässt, kann die Vorteile beider Rechtssysteme nutzen und gleichzeitig Nachteile vermeiden. Die Investition in eine professionelle Nachlassplanung zahlt sich für die Erben durch eine reibungslosere Abwicklung und steuerliche Optimierungen aus.
Eine fundierte Beratung durch Experten für deutsch-spanisches Erbrecht hilft dabei, die optimale Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden und umzusetzen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Dokumente benötige ich für eine Erbschaft in Spanien?
Sterbeurkunde (internationale Ausfertigung), Testament oder Erbschein (mit Übersetzung und apostille), Personalausweise der Erben, Immobiliendokumente bei Grundbesitz und gegebenenfalls Eheurkunden. Alle ausländischen Dokumente müssen mit Apostille versehen und ins Spanische übersetzt werden.
Kann ich als Deutscher in Spanien ein Testament errichten?
Ja, als Ausländer können Sie in Spanien vor einem Notar ein Testament errichten. Dies kann besonders bei spanischem Vermögen die spätere Abwicklung vereinfachen, da keine Übersetzungen erforderlich sind.
Was kostet die Erbschaftsabwicklung in Spanien?
Die Kosten variieren je nach Nachlasswert und Komplexität. Zu berücksichtigen sind Erbschaftsteuer, Notarkosten, Grundbuchgebühren, Übersetzungskosten und Anwaltsgebühren. Bei einer durchschnittlichen Immobilienerbschaft können 8-15% des Immobilienwerts anfallen.
Wie lange dauert eine spanische Erbschaftsabwicklung?
Bei einfachen Fällen mit vollständigen Unterlagen 3-6 Monate, bei komplexeren Sachverhalten oder fehlenden Dokumenten kann es 12-18 Monate oder länger dauern. Die sechsmonatige Frist für die Erbschaftsteuererklärung sollte unbedingt beachtet werden.
Muss ich nach Spanien reisen, um eine Erbschaft abzuwickeln?
Nicht immer. Durch notarielle Vollmachten können viele Schritte durch Vertreter erledigt werden, wobei es mittlerweile auch deutsche Notare gibt, die eine spanischen Erbschaftsurkunde erstellen können, weshalb dann alles von Deutschland aus geregelt werden kann und kein Termin beim spanischen Notar erforderlich ist.
Welche regionalen Unterschiede gibt es bei der Erbschaftsteuer?
Erhebliche Unterschiede: Während in Madrid praktisch keine Erbschaftsteuer für Familienangehörige anfällt, können in Katalonien hohe Steuersätze entstehen. Valencia, Murcia und die Balearen haben ebenfalls günstige Regelungen für Familienangehörige.
Kann ich spanische Erbschaftsteuer auf die deutsche Steuer anrechnen lassen?
Teilweise ja, nach § 21 ErbStG können ausländische Erbschaftsteuern auf die deutsche Steuer angerechnet werden, soweit sie auf Auslandsvermögen entfallen. Eine vollständige Vermeidung der Doppelbesteuerung ist jedoch nicht gewährleistet.
Was passiert, wenn ich die spanische Erbschaftsteuerfrist versäume?
Es fallen Säumniszuschläge und Zinsen an. Eine nachträgliche Anmeldung ist möglich, aber mit erhöhten Kosten verbunden. In schwerwiegenden Fällen können Bußgelder verhängt werden.
Gelten deutsche Ehegattentestamente in Spanien?
Ja, aber sie müssen übersetzt und durch Apostille beglaubigt werden. Bei komplexeren Regelungen wie Vor- und Nacherbschaft können Auslegungsschwierigkeiten entstehen, weshalb oft ein zusätzliches spanisches Testament sinnvoll ist.
Wie wirkt sich eine Scheidung auf spanische Testamente aus?
Nach spanischem Recht werden testamentarische Verfügungen zugunsten des Ex-Ehegatten grundsätzlich unwirksam. Deutsche sollten ihre Testamente nach einer Scheidung überprüfen und gegebenenfalls anpassen lassen.